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Abfindung und Altenteil sind oft Zankäpfel

Im Interview informiert Dr. Bernd von Garmissen, gelernter Landwirt und Fachanwalt für Agrarrecht aus Göttingen, über das große A bei der Hofübergabe – die Abfindung.

Wie sieht eine typische Abfindung aus?

Im Rahmen einer Hofübergabe handelt es sich bei typischen Abfindungen in der Regel um Geldbeträge, die zwischen den Vertragsbeteiligten frei ausgehandelt werden können, soweit sie den Vorgaben der Höfeordnung nicht widersprechen, das heißt zu hoch ausfallen. Die Abfindung erhalten in der Regel die sogenannten „weichenden Erben“. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht nur um die Geschwister der Hofannehmerin oder des Hofannehmers handelt, sondern dass auch der Ehepartner des Abgebers grundsätzlich zu den weichenden Erben zählt. Allerdings besteht für den Ehepartner ein Wahlrecht zwischen einem Altenteilsanspruch und einer entsprechenden Abfindung. In aller Regel entscheiden sich die Ehepartner des Abgebers für das Altenteil und damit gegen eine Abfindung. Nur in Ausnahmefällen handelt es sich bei den Abfindungen um mögliche Grundstücke, Baugrundstücke oder andere Berechtigungen. Eine Abfindung in Land sollte grundsätzlich nur die große Ausnahme bleiben, da dies den Hof in der Regel unangemessen beeinträchtigt. Die Auskehrung der Abfindungen kann je nach Höhe und Liquidität des Betriebes auf einen Zeitpunkt festgelegt oder aber auf mehrere Jahre verteilt werden. Dies geschieht dann in der Regel jedoch zinslos.

Was ist der sogenannte Hofeswert?

Der sogenannte „Hofeswert“ ergibt sich aus § 12 der Höfeordnung und ist auch nur in diesem Gesetz unter Verwendung. Der Hofeswert ist derzeit noch das 1,5-Fache des zuletzt festgestellten Einheitswertes des Gesamtbetriebes. Hiervon können je nach Situation des Betriebes angemessene Zu- oder Abschläge gemacht werden. Auch mögliche, erhebliche Vorempfänge der weichenden Erben können in Abzug gebracht werden. Wie bei so vielen Themen der Hofübergabe kommt es immer auf den individuellen Einzelfall an. Der letztlich errechnete Hofeswert ist die Basis für die Verteilung der jeweiligen Abfindungsansprüche an die weichenden Erben entsprechend ihrem Erbquotienten. Da das Bundesverfassungsgericht jüngst die Grundsteuer und den damit verbundenen Einheitswert höchstrichterlich infrage gestellt hat, bleibt abzuwarten, wie lange der Einheitswert noch die Grundlage für die Berechnung des Hofeswertes sein kann. Es ist wünschenswert, dass es bei einer niedrigen und einfach zu berechnenden Basis bleibt.

Wenn die höferechtlichen Abfindungsregeln nicht zum Betrieb passen: Wie kann ich vorgehen?

Grundsätzlich besteht immer die Freiheit, das Höferecht nicht zur Anwendung zu bringen, indem ich den Hofvermerk des Hofes lösche. Hiermit sind aber sämtliche rechtlichen Sicherungswirkungen verloren, es sei denn, ich habe sie einzelvertraglich zwischen allen Beteiligten vereinbart. Bei Haupterwerbsbetrieben ist es eher die Ausnahme, dass die höferechtlichen Anforderungen nicht sachgerecht sind. Bei kleineren, wirtschaftlich nicht mehr aktiv betriebenen landwirtschaftlichen Höfen ist es in der Regel sogar angemessen, Regelungen außerhalb der Höfeordnung zu treffen. Auch hier gilt aber der Grundsatz: Es kommt auf den Einzelfall an.

Im Todesfall: Es kommt vor, dass der Eigentümer zunächst an den überlebenden Ehepartner abgibt. Was kann das Kind, also der eigentliche Erbe, verlangen?

Bei einer Übergabe „durch Todesfall“ handelt es sich ja nicht um eine Hofübergabe, sondern um eine Erbschaft im Sinne des Gesetzes. Hier gelten die Regelungen der letztwilligen Verfügung (z. B. Testament) des Abgebers oder es gelten – wenn er eine solche Verfügung nicht getroffen hat – die höferechtlichen Regelungen dazu (§§ 5, 6 und 7 der Höfeordnung). Ob der Hofeigentümer zunächst seinen Ehepartner oder sogleich ein Kind einsetzt, hängt sicherlich auch von der Situation zum Zeitpunkt des Todes ab. Sollten sämtliche Kinder deutlich minderjährig sein und sollte es nicht absehbar sein, welches der Kinder als Hoferbe geeignet ist, kann es sinnvoll sein, zunächst den Ehepartner als Erben einzusetzen. Grundsätzlich sind in solchen Fällen sämtliche Kinder wiederum „weichende Erben“ und zumindest pflichtteilsberechtigt. Da sich die Familien aber über den weiteren Fortgang in der Regel einig sind, kommt es eher selten zur gerichtlichen Durchsetzung dieser erbrechtlichen Ansprüche.

 

Wenn hohe Abfindungszahlungen zu einem finanziellen Risiko werden: Wie kann der Erbe vorgehen?

Abfindungen sollten schon im Rahmen der Übergabeverhandlungen so gestaltet sein, dass ein finanzielles Risiko des Hofes ausgeschlossen ist. Dies ist gerade die Herausforderung guter Hofübergaben und deren Beratungen, dass die Leistungsfähigkeit des Betriebes bezüglich einer angemessenen Abfindung nicht aus dem Blick gerät. Handelt es sich um einen Hof im Sinne der Höfeordnung, so bedarf die Abfindungsregelung ohnehin immer einer Genehmigung durch das zuständige Landwirtschaftsgericht. Eine der zentralen Aufgaben des Gerichts bei der Genehmigung ist die Prüfung, ob der Hof die Abfindungsleistungen auch ohne finanzielle Risiken gewährleisten kann.

Flächenverkäufe sind die häufigsten Gründe für Nachabfindungen. Wie wird dabei gerechnet?

Aus meiner Erfahrung resultieren die meisten Nachabfindungsansprüche nicht aus Flächenverkäufen, sondern aus anderen, das Hofvermögen betreffenden Verfügungen. Dies können insbesondere Einkünfte aus nicht landwirtschaftlichen Tätigkeiten (Windkraft, Verwertung von überschüssigem Hofvermögen etc.) sein. Bei den von Ihnen angesprochenen Flächenveräußerungen besteht schon aus der Höfeordnung (§ 13) die Möglichkeit des Hofeigentümers, in Ersatzflächenkäufe zu reinvestieren und damit eine Nachabfindungspflicht abzuwenden. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass eine Wertgleichheit zwischen den landwirtschaftlichen Grundstücken vorhanden sein muss. Daher ist es leider nicht möglich, bei der Veräußerung von 1,0 ha Bauland an einer anderen Stelle in 10,0 ha Ackerland zu reinvestieren. In diesem Fall wäre es nur möglich, den verlorenen Hektar durch einen anderweitigen Hektar zu ersetzen. Dann wäre der darüber hinausgehende Betrag tatsächlich nachabfindungspflichtig. Da dieses Ergebnis in der Regel nicht gewollt ist, empfiehlt es sich, im Rahmen der Hofübergabe über eine Modifizierung der Nachabfindungsansprüche zum weiteren Ausbau des Betriebes ohne zu starke Einschränkungen der Nachabfindungsberechtigung der weichenden Erben nachzudenken.

„Bei den Abfindungen gibt es in der Regel häufiger Streit über eine angemessene Höhe und eher selten um die Formulierung einer Modifizierung von Nachabfindungsansprüchen.“ Dr. Bernd von Garmissen ist Fachanwalt für Agrarrecht.

Was sind die häufigsten strittigen Themen bei einer Abfindung?

In meinen Beratungen beziehungsweise Übergabe-Seminaren spreche ich bei den streitigen Themen häufig von den beiden großen „A“. Dies ist zum einen das „Altenteil“, zum anderen die „Abfindung“ der weichenden Erben. In beiden Regelungsbereichen kann es gleich zu einvernehmlichen und guten Lösungen kommen, aber gerade hier gibt es auch häufig sehr unterschiedliche Sichtweisen und Forderungen, die erst in einer guten Analyse der Situation und Begleitung der Vertragsparteien gelöst werden können. Insbesondere die Höhe eines möglichen Baraltenteils, die Vereinbarung einer Hege-und-Pflege-Klausel oder die Fragen eines gemeinsamen Haushaltes sind nicht selten ohne Schwierigkeiten. Bei den Abfindungen gibt es in der Regel häufiger Streit über eine angemessene Höhe und eher selten um die Formulierung einer Modifizierung von Nachabfindungsansprüchen.

Was sind die größten Fehler bei einer Abfindung, und wie kann man sie vermeiden?

Im Rahmen der Abfindungsregelung ist ein häufiger Fehler darin zu sehen, dass die Beteiligten schon vor der Analyse der Übergabesituation oder einer entsprechenden Beratung frühzeitig Zahlen und Abfindungsmodelle in den Raum stellen und besprechen. Wenn sich dann im Laufe der weiteren Gespräche und Verhandlungen herausstellt, dass die anvisierten Beträge nicht haltbar sind, kommt es häufig zu großen Schwierigkeiten. Daher empfehle ich dringend, inhaltliche Festlegungen zu der Abfindung erst dann zu besprechen, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen und es diesbezüglich zu einem gemeinsamen Gespräch kommen kann.

Wenn der Ehepartner ein Altenteil statt einer Abfindung nimmt: Was ist dann zu beachten?

Wie ich bereits im Vorfeld angedeutet habe, ist es die absolute Regel, dass der Ehepartner des Abgebers anstelle einer Abfindung das Altenteil wählt. Hier wird in Übergabeverträgen jedoch meistens ein einheitliches Altenteil beider Ehepartner formuliert, das nicht zwischen den Ehepartnern unterscheidet. Wichtig kann an dieser Stelle jedoch sein, welche Auswirkungen das Vorversterben eines der Elternteile auf die Höhe des Baraltenteils hat. Dabei sind alle Möglichkeiten zwischen einer Halbierung bis hin zu einer uneingeschränkten Fortzahlung des Geldbetrages denkbar. In der Regel verringert sich das Baraltenteil in diesen Fällen auf zwei Drittel des ursprünglichen Betrages. Daher ist es wichtiger, mit den Abgebern insgesamt ein schlüssiges Altenteilskonzept zu erarbeiten, als sich über Unterschiede in der Behandlung des Abgebers und seines Ehepartners Gedanken zu machen.

Das Interview wurde am 9. 10. 2018 erstmals veröffentlicht.