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Wohnraum-Frage ist heißes Eisen bei der Hofübergabe

Auch nach einem reibungslosen Hofübergabeprozess kann ein Generationenkonflikt kommen, weiß Angelika Sigel, Familienberaterin beim evangelischen Bauernwerk Baden-Württemberg. 

Jede Umbruchs- und Entscheidungssituation fordert Landwirte, etwa wenn Investitionen anstehen. Daher kann auch nach einer gelungenen Hofübergabe unerwartet ein Konflikt zwischen Hofabgeber und Hofabnehmer entstehen, sagt Angelika Sigel, Familienberaterin beim evangelischen Bauernwerk in Baden-Württemberg.

Beim Thema Hofübergabe hat Sigel festgestellt, dass vielen Übergebern nicht bewusst sei, dass in der Regel auch das Wohnhaus an den Nachfolger übergeben wird, da es zum Hof gehört. „Sie denken, dass ist Privateigentum. Das stimmt, aber es wird auch an die nächste Generation übergeben. Ich kann nicht nur meinen Stall abgeben“, sagt Sigel. Oftmals entzünde sich an diesem Thema Streit. Hofabgeber, die noch vor wenigen Jahren ihr Haus renoviert haben, falle es schwer, dieses abzugeben. Oder sie wollen nicht den Garten und damit die geliebte Gartenpflege der Schwiegertochter überlassen. Das Wohnrecht allein reiche ihnen nicht aus. Das Landwirtschaftsamt erteile aber in der Regel nicht die Zustimmung zur Hofübergabe, wenn das Wohnhaus nicht miteingeplant sei. Wenn Eltern daher partout nicht das Haus abgeben wollen, sollten sie sich vorher steuerrechtlich beraten lassen und mit dem Landwirtschaftsamt sprechen, rät Sigel. „Oder sie müssen sich eben doch arrangieren und sich mit dem Wohnrecht zufrieden geben. Das ist auch eine Art von Loslassen.“ Eine andere Alternative sei, sich ein Haus in der Nähe zu kaufen oder zu bauen. Diese Möglichkeit habe aber nicht jeder.

Auch die weichenden Erben verstünden oft nicht, dass das Haus ihrer Eltern nun an den Bruder oder an die Schwester gehen soll. „Für sie bedeutet das Haus Heimat, viele besitzen noch den Hausschlüssel oder haben dort persönliche Gegenstände aus der Kindheit gelagert.“ Ein  anderer Streitgrund können Traditionen und liebevoll gemeinte Gesten sein, die aber aus Sicht der Hofnachfolger eine Last sind. „Was ist, wenn die Geschwister die Eltern auf dem Hof besuchen. Dürfen ihnen diese Eier, Milch oder Gemüse wie eh und je mitgeben, oder ist das jetzt Besitz der Hofnachfolger? Streng genommen haben die weichenden Erben darauf keine Ansprüche. Wer über solch vermeintlich kleinen Dinge nicht vorher nachdenke, tappe schnell in eine Falle. „Viele stolpern über Alltagsfragen.“

Die meisten Familien verabreden Barrente

Das Altenteil ist ebenfalls ein Thema, das zum Problem werden kann, wenn im Vorfeld nicht alle Details zur Sprache kamen. Die meisten Familien haben heutzutage eine Barrente vereinbart. Das heißt, die Hofabgeber versorgen sich selbst und erhalten dafür einen monatlichen Beitrag von ihren Nachfolgern, statt sich von ihnen verköstigen zu lassen. Sie stehen daher vor der Frage, wie hoch die Barrente ausfallen soll: Was ist angemessen, was braucht der Übergeber oder das Übergeberpaar zum Leben? Den finanziellen Absicherungsbedarf der zukünftigen Altenteiler zu klären, sei schwierig. Es kommt auch auf den bisherigen Lebensstil der Familie an. „Ich rate davon ab, für den Altenteil im Betrieb zu arbeiten. Wenn jemand weiterhin als Landwirt mithelfen oder arbeiten möchte, dann sollte er lieber dafür einen Lohn vereinbaren.“ Denn sobald aus gesundheitlichen Gründen keine Mitarbeit mehr möglich sei, sei man abhängig vom Wohlwollen der Kinder.

 

„Es sind oft die Frauen, die den Wandel fordern. Sie wollen nicht, dass es ihren Kindern und vor allem Schwiegertöchtern so geht, wie ihnen damals. Sie wollen ihnen den Weg frei machen.“ Angelika Sigel, Evangelisches Bauernwerk Baden-Württemberg.

Die Hofabgeber haben zudem ein „warmes Wohnrecht“, das heißt sie müssen weder  Kosten für Miete noch für Strom und Wasser zahlen. Auch anstehende Renovierungsarbeiten hat in der Regel der Übernehmer zu tragen. Allerdings kann dies im Hofübergabevertrag individuell ganz anders vereinbart werden. So fordern zum Beispiel einige das Recht, dass der Nachfolger sie zum Arzt fahren kann oder die Pflege zu organisieren hat. Die wenigstens Eltern schreiben heute vor, dass der Hofübernehmer für die Pflege verantwortlich sei. Immer mehr ältere Landwirte sorgen außerdem vor, haben sich zum Beispiel eine Wohnung außerhalb des Betriebes gekauft, in der sie nach der Hofübergabe ziehen. „Es sind oft die Frauen, die den Wandel fordern. Sie wollen nicht, dass es ihren Kindern und vor allem Schwiegertöchtern so geht, wie ihnen damals. Sie wollen ihnen den Weg frei machen“, berichtet die Familienberaterin. Und genau dies sei richtig. Ein gemeinsames Wohnen in der Großfamilie Tür an Tür sei für den Neubeginn nicht ratsam. Sie empfiehlt der jungen Generation sogar, sich zunächst eine eigene Mietwohnung außerhalb des landwirtschaftlichen Betriebs zu suchen. „Ein geschützter Raum tut dem jungen Hofübernehmer-Paar gut.“ Manche betrachten das als Geldverschwendung, weiß Sigel. „Aber das ist gut investiertes Geld.“ Allerdings sollte man auch Orte und Zeiten verabreden, wo sich Hofabgeber und Nachfolger begegnen und über anstehende Dinge sprechen. Ebenfalls geklärt sein sollte das Verhalten und Auftreten gegenüber Mitarbeitern, Auszubildenden und Handelsvertretern.

Checkliste: Betriebliches Altenteil

  • Das betriebliche Altenteil ist das, was im Übergabevertrag "geschrieben" wird. Es umfasst in der Regel:
  • das Wohnrecht mit genauer Anführung des Gebäudes und der Zimmer
  • das Mitbenutzungsrecht an Gemeinschaftseinrichtungen und das Zutrittsrecht zu den Wirtschaftsgebäuden
  • die Übernahme der Kosten für Wasser, Heizung, Strom etc. durch die Übernehmer
  • die Lieferung bestimmter Mengen an Naturalien vom Hof (bzw. der Gegenwert in Geld) falls eine gemeinsame Versorgung nicht erwünscht oder möglich ist
  • die Pflege in gesunden und in kranken Tagen, soweit sie auf dem Hof möglich ist und dem Übernehmer letztlich zugemutet werden kann
  • zusätzlich können Barleistungen der Übernehmer an die Übergeber und ein lebenslanges Nießbrauchrecht an bestimmten Grundstücken geregelt werden
  • Quelle: Materialien zur Hofübergabe, Evangelisches Bauernwerk in Württemberg e.V.