Übernehmer bekommt „Vermögen zum Arbeiten“
Seit 30 Jahren spricht Veronika Grossenbacher vom Evangelischen Bauernwerk in Württemberg vorwiegend in Seminaren mit Landwirten und ihren Familienangehörigen über das Thema Hofübergabe. Das Evangelische Bauernwerk berät vorwiegend bei „zwischenmenschlichen Fragestellungen“, bietet Seminare für Hofabgeber, Nachfolger und weichende Erben sowie individuelle Beratungen an. Für die Rentenfragen sind in Baden-Württemberg die Kreisbauernverbände zuständig. „In der Regel kommen alle Beteiligten zu unseren Seminaren, also Übergeber, Übernehmer und weichende Erben“, sagt Grossenbacher. „Eine der größten Sorgen der Hofabgeber ist, dass die weichenden Erben zu kurz kommen könnten“, weiß sie. Zudem bringen die meisten Hofabgeber zwei zentrale Fragen in die Gespräche mit: 1. Wie zahle ich möglichst keine Steuern bei der Hofübergabe und 2. Wie finde ich die weichenden Erben ab? In der Regel gehen die meisten Hofübergaben steuerfrei aus, aber eine Beratung durch einen Steuerberater sei ratsam. „Für die weichenden Erben tragen die Eltern die Verantwortung, sie übernehmen eine entscheidende Rolle. Sie müssen das Thema vorzeitig klären, auch wenn es für sie unangenehm ist“, betont Grossenbacher. Während sich die Eltern häufig Sorgen um die weichenden Erben machen, sollten alle berücksichtigen: Der Nachfolger braucht einen Lebensunterhalt. Wenn der Hof eine Abfindung nicht hergibt, dann können weichende Erben froh sein, dass sie nicht den Hof übernehmen müssen. Konkreter drückt sie es so aus: „Der Übernehmer bekommt ein Vermögen, mit dem er arbeiten muss und das er nicht einfach versilbern kann. Die weichenden Erben bekommen ‚Silber‘.“
Ein Hofübergabevertrag allein reiche nicht aus, um die Hofübergabe erfolgreich zu gestalten. „Es verändert sich im Zwischenmenschlichen sehr viel. Man sollte die bevorstehenden Veränderungen positiv in den Blick nehmen und sich zunächst klar machen, welche Bedürfnisse man hat und welche Wünsche an die anderen.“ Wenn rechtlich alles geregelt sei, brauchen beide Seiten den Vertrag später nie wieder in die Hand nehmen. Aber die Veränderungen im Alltag sind täglich spürbar: Der Betriebsleiter wird zum Altenteiler, das Kind zum neuen Betriebsleiter.
Nicht wenige Landwirte in Baden-Württemberg, so ihre Erfahrung, entscheiden sich gerne für eine gleitende Übergabe. Sie gründen zum Beispiel eine GbR, um zunächst mit dem Sohn oder der Tochter zusammenzuarbeiten, bevor sie ganz abgeben. Häufig gibt es heute in einem Familienbetrieb aus steuerlichen Gründen schon mehrere unterschiedliche Rechtsformen: zum Beispiel für den Hofladen oder die Phovoltaikanlage.
Ausdrücklich rät Grossenbacher in den meisten Fällen davon ab, dass ein Hofübernehmer den Hof pachtet. „Der Pachtvertrag ist keine verlässliche Lösung.“ Beim Pachtvertrag habe der mögliche Hofübernehmer keine Gewissheit, dass die Übergeber eines Tages auch wirklich den Hof an ihn abgeben. Umgekehrt können sich die Übergeber nicht sicher sein, dass der Pächter den Betrieb langfristig fortführen will. Erst wenn dem Pachtvertrag ein Hofübergabevertrag folgt, werde die Hofübergabe für beide Seiten verlässlich. „Ein Pachtvertrag ist nur ratsam, wenn es eilt, weil zum Beispiel jemand unerwartet erwerbsgemindert geworden ist.“
Die Hofübergaben haben sich im Laufe der Jahre verändert, sagt Grossenbacher. Die ältere Generation hatte wenig Wahlmöglichkeiten, ob sie den Hof übernehmen wollen oder nicht. Damals hieß es: Du machst das. Heute gibt es immer mehr Hofübernehmer, die den Betrieb nur noch im Nebenerwerb weiterführen. „Sie sind gut ausgebildet, verdienen gut und wollen ihren Beruf daher nicht aufgeben, aber sie haben auch ein Herz für die Landwirtschaft. Diese Gruppe von Nachfolgern wächst stark an.“ Die Übergeber seien meist froh, wenn die Nachfolge gesichert ist, auch wenn dies im Nebenerwerb geschehe. Wenn es keine Nachfolger in der Familie gibt, kann eine außerfamiliäre Hofübergabe vereinzelt eine Alternative zum geordneten Ausstieg aus der Landwirtschaft sein, sagt Grossenbacher. „Das muss man aber gut durchdenken und mit Zeit planen, denn die Herausforderungen sind bei einer außerfamiliären Übergabe in der Regel nicht geringer als in der Familie.“
Info-Materialien
Das Evangelische Bauernwerk in Württemberg legt seit 1980 jährlich – und das ist eine Besonderheit – eine aktualisierte Broschüre mit Materialien zur Hofübergabe vor. Zudem gibt es eine Broschüre für Betriebe ohne Hofnachfolge. Die Broschüren sind für je 12 Euro zuzüglich Versandkosten bestellbar bei: Das Evangelische Bauernwerk in Württemberg e.V., Veronika Grossenbacher, Hohebuch 16, 74638 Waldenburg, Telefon 07942/107-12 oder per Mail: v.grossenbacher@hohebuch.de
Checkliste: Weichenstellung für die Hofübergabe
- Eine Hofübergabe erfolgt nur durch einen Hofübergabevertrag
- Gesellschaftsvertrag und Pachtvertrag regeln die Hofübergabe nicht
- Ein Gesellschaftsvertrag kann als Vorbereitung des Generationswechsels sinnvoll sein, wenn der Hofübernehmer langsam in die Betriebsleitung hineinwachsen will
- Ein Gesellschaftsvertrag kann als Vorbereitung des Generationswechsels sinnvoll sein, wenn der Hofabgeber sich langsam aus der Verantwortung zurückziehen will
- Erst wenn dem Gesellschaftsvertrag ein Hofabgabevertrag folgt, wird die Hofübergabe verbindlich
- Beim Pachtvertrag haben die Übernehmer keine Gewissheit, dass die Hofeigentümer ihnen den Betrieb wirklich übergeben werden
- Beim Pachtvertrag haben die Übergeber keine Gewissheit, dass die Pächter den Betrieb langfristig übernehmen wollen
- Erst wenn dem Pachtvertrag ein Hofabgabevertrag folgt, wird die Hofübergabe verbindlich
- Bei Abschluss eines Arbeits-, Pacht- oder Gesellschaftsvertrags sollte eine Erbfolgeregelung durch Testament oder Erbvertrag vorgenommen werden
- Quelle: Materialien zur Hofübergabe, Evangelisches Bauernwerk in Württemberg e.V.