Hofabgeber muss unabhängig vom Hof leben wollen
Landwirte, die mit Mitte 50 noch keinen Hofnachfolger in Aussicht haben, verdrängen meistens das Problem – und das zu lange, sagt Isidor Schelle vom Bayerischen Bauernverband (BBV). Als Rechtsreferent, Mediator und Projektleiter Beratung sind ihm die Sorgen und Nöte der Hofabgeber und Hofnachfolger seit mehr als Jahren bekannt. Mehr als 2000 Hofübergaben hat er miterlebt und begleitet, inzwischen landen beim Experten mit der langen Erfahrung die komplexeren Fälle. „Die Angst ist oft bestimmend, aber das ist nicht die Lösung“, sagt Schelle, der gelernter Landwirt, Kaufmann und Rechtsbeistand ist. Aus diesem Grund plane der Bayerische Bauernverband auch, über verschiedene Wege gezielt auf ältere Hofeigentümer ohne Nachfolger zuzugehen.
Im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie für eine Master-Arbeit werde zum Beispiel unter den Landwirten in Bayern gefragt, welche Bedürfnisse und Wünsche sie haben. „Dann können wir sie gezielt ansprechen.“ Für diese Gruppe soll es auch zusätzliche Seminare geben. Die Generation der älteren Landwirte mache sich Sorgen um die eigene Versorgung und wolle das Erbe gerecht verteilen, sagt Schelle. Er begleitet – ebenso wie Kolleginnen und Kollegen vom BBV – Generationenwechsel in der Landwirtschaft über mehrere Jahre hinweg und leitet Seminare für Hofabgeber und Hofnachfolger. Interessant sei, dass bei den mehrtägigen Seminaren mehrheitlich Hofeigentümer teilnehmen. Auf der anderen Seite werden die gezielten eintägigen Übernehmerseminare von Nachfolgern stark angenommen. Offensichtlich seien Informationsbedarf und -wege unterschiedlich. „Alt und Jung sagen aber nach solchen Seminaren unisono, dass sie vor allem den Austausch miteinander bereichernd finden.“ Manchmal melden sich auch Kinder von Hofeigentümern zu solchen Seminaren an, obwohl sie bereits wissen, dass sie kein Interesse an einer Übernahme haben. Sie wollen für sich und ihre Eltern die Informationen einholen und den Prozess begleiten, erklärt Schelle. Der Großteil der Betriebe werden aber immer noch „klassisch“ übergeben, das heißt ein Nachfolger aus der Familie führt oder verwaltet den Hof weiter. In Bayern sind inzwischen rund 61 Prozent (Stand 2019) der landwirtschaftlichen Betriebe Nebenerwerbsbetriebe.
Die Frage der eigenen Versorgung ist für den Hofabgeber laut Schelle häufig die zentrale Frage, weil damit viele weitere Fragestellungen und Themen verbunden seien. Der Hofabgeber muss zum Beispiel seine Wohnsituation klären, seine privaten Pläne formulieren und sich überlegen, ob er künftig weiterhin in der Landwirtschaft mitarbeiten möchte oder kann. Interessant kann für die Klärung der Wohnsituation auch sein, bisherige Wirtschaftsgebäude zu Wohnraum umzunutzen. Hier eröffnet das Baurecht gewisse Möglichkeiten, speziell auch im sog. Außenbereich.
Wer betreibt beispielsweise die Photovoltaikanlage – die meisten Landwirte haben eine – weiter? Auch diese strategischen Fragen sind wichtig, weil sie Einkünfte und Vermögen jenseits des eigentlichen Bauernhofs betreffen. Betriebsleiter haben eine Photovoltaikanlage meist bewusst als weitere Säule der Altersversorgung angeschafft, weiß Schelle.
"Betriebsvermögen ist nicht einfach zu Geld zu machen"
„Es gibt häufig wenig klare Vorstellungen darüber, was im Alter zum Leben benötigt wird.“ Habe man bisher bescheiden auf dem Hof gelebt, sei dies kein Garant für den Ruhestand. „Der Anspruch eines Hofabgebers muss sein, dass er unabhängig vom Hof und den Hofnachfolgern leben kann“, empfiehlt Schelle. In Bayern wird für den Bedarf ein sogenanntes „warmes“ Wohnrecht inklusive Nebenkosten angenommen, zusätzlich kommen für ein Ehepaar im Schnitt 1.800 bis 2.000 Euro Bedarf im Monat hinzu. Sprich: So viel sollte einem als Altenteiler-Ehepaar zur Verfügung stehen. Für die Größenordnung einer baren Versorgungsleistung im Übergabevertrag ist individuell entscheidend, welche Einkünfte der Hofabgeber und dessen Ehegatte nach der Hofabgabe verzeichnen können. „Viele Landwirte sind der Auffassung, dass sie gar nicht so viel Geld benötigen, weil der Übernehmer zum Beispiel in Zusammenhang einer weiteren Mitarbeit das Mittagessen noch stellt“, weiß Schelle. Das sollte man jedoch getrennt voneinander betrachten. Denn es wird die Zeit geben, in der die Mitarbeit keine Rolle mehr spielt oder ganz einfach aus Altersgründen nicht mehr geht. Hofnachfolger rechnen natürlich auch damit, dass der Hofabgeber noch mithilft. Diese Dinge könne man im Detail noch separat verbindlich regeln, aber zunächst sollte die Unabhängigkeit im Blick sein.
Eine Sicherungsvereinbarung für Sondersituationen – wie zum Beispiel bei einem Tod des Hofnachfolgers –, um die Hofübergabe rückgängig machen zu können, sollte gut überlegt und wenn, dann zeitlich begrenzt sein, etwa auf fünf bis zehn Jahre. Grundsätzlich rät Schelle zu Beginn allen potenziellen Hofnachfolgern: Sie müssen wissen, ob sie einen leistungsfähigen Betrieb übernehmen. Egal ob Neben- oder Haupterwerbsbetrieb: Was wirft der Betrieb ab? Was muss die junge Familie selbst daraus für den Lebensunterhalt bestreiten, und welche Investitionen stehen an? „Fleißig sind die meisten Landwirte, aber die Frage, ob sie ihre Arbeitskraft auch wertschöpfend einsetzen können, können nicht alle klar beantworten. Die realistische Betrachtung tut manchmal auch weh.“ Aber ein Nachfolger müsse sich bei diesem emotionalen Thema des Generationenwechsels zunächst an die Fakten halten. Je nach Branche seien die Investitionskosten heute auch viel höher – in vielen Bereichen muss man bei größeren Investitionsvorhaben im Millionenbereich denken und rechnen. „Der Hofübernehmer muss wissen, was er sich leisten kann. Das Thema Liquidität zieht sich vom ersten Gespräch bis zum Notartermin auf beiden Seiten durch.“
Die Verkehrswerte haben sich in den vergangenen 25 Jahren stark nach oben verändert; diese Tatsache hilft jedoch für die Bewirtschaftung nicht wirklich weiter. „Das Betriebsvermögen ist nicht einfach von heute auf morgen zu Geld zu machen. Das sehen weichende Erben oft nicht. Sie schauen oft auf die Verkehrswerte und denken, es ist reichlich Vermögen und damit Geld da.“ Auch fragen weichende Erben häufiger, was passiert, wenn der Betrieb nach einer Hofübergabe doch noch eingestellt wird. Daher empfiehlt auch er, die weichenden Erben in die Kommunikation miteinzubeziehen. Hier sei es enorm hilfreich, wenn von Beraterseite eine sachliche Aufklärung erfolgt.
Wenn der meist junge Hofnachfolger bereits eine eigene Familie hat, sollte er auch über Worst-Case-Szenarien nachdenken und seine Familie absichern, rät Schelle. Eine Faustregel hat der Fachmann: „Je mehr Arbeitsplatz der Betrieb ist, desto weniger strenge Vorgaben und Einschränkungen sollte man den Hofnachfolgern machen.“ Wird der Hof von einem Nachfolger nur zur Verwaltung, zum Beispiel der Verpachtung der Flächen, übernommen oder hat der Nachfolger noch keine eigene Familie, könne man dagegen eher strengere Absprachen treffen, um denkbare Ungerechtigkeiten abzufedern. Eine unternehmerische Entwicklung des Vertragsgegenstandes sollte mit derartigen Vereinbarungen jedoch nie blockiert werden.
Aufbau der "Generationenfolgeberatung – Hofübergabe"
- Fachberater und Landwirt setzen sich mit der aktuellen Situation auseinander
- Persönliche Vorstellungen für die Zukunft des Betriebs formulieren
- Die Situation wird vor allem unter familiären und betrieblichen Aspekten betrachtet
- Zwischenziel: nötige Klarheit zwischen allen Beteiligten schaffen
- Rechtssicherheit für den Hofnachfolger schaffen
- Rechtssicherheit für die Versorgung der Altenteiler schaffen
- Neue Chancen für Betrieb identifizieren und nutzen
- Hofnachfolgekonzept wird erarbeitet
- Nachlass- und Vorsorgeplanung wird erarbeitet
- Vorbereitung eines Testaments