Hofabgeber adoptiert den Nachfolger
Iris Flentje, soziökonomische Beraterin der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Bezirksstelle Nienburg, weiß aus Erfahrung: Jede Hofübergabe ist anders. Da gibt es den traditionellen Weg, dass der Sohn den Hof des Vaters übernimmt, den auch schon der Großvater und Urgroßvater führten. Und da gibt es mittlerweile eine Reihe von anderen Optionen: die Adoption zum Beispiel. Flentje hat jüngst zwei Hofeigentümer beraten, deren eigene Kinder den Hof nicht übernehmen wollten. In einem Fall hat der Eigentümer einen jungen Mann aus der entfernteren Verwandtschaft adoptiert, der dann den Betrieb übernommen hat. In einem anderen Fall hatten die Hofeigentümer ein Inserat aufgegeben, um einen Nachfolger zu finden. Ein junges Paar meldete sich, schnell war klar: Die „Chemie“ zwischen dem Paar und den Eigentümern stimmte. Zunächst arbeiteten die beiden jungen Eheleute als Angestellte, dann stieg der Mann in die KG ein. Vier Jahre später stellte sich das Paar die Frage, wie kommt man an Eigentum, wenn man nur angestellt ist? Diese Frage war eine der Vorüberlegungen, um am Ende eine Adoption zu beantragen. In dem Fall adoptierten die Hofabgeber den jungen Mann. Inzwischen haben die Hofnachfolger auch eigene Kinder, die nun qua Adoptionsrecht Erben sind.
Noch suchen Landwirte selten aktiv außerhalb der Familie nach Nachfolgern. Generell könne man aussagen, dass außerfamiliäre Hofübergaben sich stark von den familiären Hofübergaben unterscheiden, erklärt Flentje. „Innerhalb der Familie hat man eine gemeinsame Historie. Man kann sich auch mal gut provozieren. Das Emotionale spielt bei der Hofübergabe eine große Rolle.“ Dagegen gehen Hofabgeber und Nachfolger vorsichtiger und respektvoller miteinander um, wenn sie nicht verwandt sind. „Der Sprachgebrauch innerhalb der Familie ist ja auch anders.“ Die Erwartungen an den Nachfolger sind höher, wenn er aus der eigenen Familie kommt. Von einem Fremden, der nun den Betrieb übernimmt, erwarte man nicht, dass dieser einen im Alter pflegt. Der Baraltenteil sei dagegen bei der außerfamiliären Nachfolge meist höher. „Man will sich als Altenteiler nicht abhängig machen.“ Aber auch für die außerfamiliären Nachfolger gelte: „In der Landwirtschaft lässt man sich auf Nähe ein.“ Flentje weist darauf hin, dass es auch regionale und betriebsspezifische Unterschiede gibt. „Besitzer von Zuchtbetrieben können schwerer loslassen als Betreiber von Ackerbau. Sie sehen den ideellen Wert in ihrem Unternehmen“. Eine weitere Besonderheit in der Landwirtschaft: „Viele vererben ihren Betrieb, müssen aktiv loslassen und dennoch aktiv anpacken, mit dem Nachfolger zusammenarbeiten“. Flentje weiter: „Erben ohne Sterben“, gelte hier. In der Region Nienburg, in der Flentje Landwirte berät, arbeite der „Altenteiler zu 99 Prozent auf dem Hof mit“. Manche Hofabgeber tun dies, weil sie gerne noch weiter arbeiten möchten, andere, um weiterhin Beiträge in der Rentenversicherung einzuzahlen. Ob 450-Euro-Jobber oder „normaler Angestellter“: Es gibt auch hier keine Regel für das Angestelltenverhältnis des Altenteilers. „Das hängt immer von der finanziellen Situation, von der Altersvorsorge ab. Viele Landwirte, die jetzt in den Ruhestand gehen wollen, haben ihre Rücklagen in den vergangenen Jahren aufgebraucht. Sie haben alles in den Betrieb gesteckt. In den 80ern haben sie noch viel Geld verdient. Aber jetzt geht es vielen finanziell nicht gut“, weiß Flentje. Sie greifen in die privaten Rücklagen oder schließen neue Kredite ab.
Aufgrund der rasanten Entwicklungen gehen Betriebe bei der Hofübergabe immer öfter vom Vollerwerbsbetrieb in einen Nebenerwerbsbetrieb über. Einige hören auch auf und verpachten. Übernehmer stehen vor der Frage, ob sie den Betrieb fortführen und ein Risiko eingehen oder ob sie auf Nummer sicher gehen, erklärt Flentje. Wer 50 Hektar Land besitze, könne mit 35.000 bis 40.000 Euro Pachteinnahmen im Jahr rechnen. „Die hat er dann sicher.“