Created with Sketch.

EU fördert Einstieg für Hofübergabe

Hofübergabe ganz anders: In vielen EU-Ländern gibt es innovative Konzepte, um jungen Menschen den Einstieg in die Landwirtschaft zu ermöglichen. Das Projekt "Newbie" fördert den Austausch.

Die Statistiken zeigen, dass in vielen europäischen Ländern noch ältere Betriebsleiter in der Landwirtschaft tätig sind als in Deutschland. Fragen der Hofübergabe sind in Ländern wie beispielsweise Portugal, Italien oder Bulgarien noch drängender. Mit jeweils etwa 70 Prozent ist laut Eurostat 2018 in diesen Ländern der Anteil der über 55-jährigen Betriebsleiter entsprechend hoch. Neben der familiären Hofnachfolge gibt es daher europaweit immer mehr neue Konzepte, um Hofübergaben zu unterstützen. In Großbritannien gibt es beispielsweise die „Land Partnerships“ und in Frankreich spezielle Gründerzentren.

Auf der Suche nach Konzepten gibt es inzwischen grenzenlose Bündnisse:  Nach dem Motto „voneinander lernen“ haben sich zehn europäische Teams aus Forschung und Praxis zusammengefunden, um neue Modelle in der europäischen Landwirtschaft einzuführen und  zu etablieren: Sie haben im Januar 2018 das Projekt „Newbie“ ins Leben gerufen. Newbie heißt übersetzt Neueinsteiger, soll aber auch die Abkürzung sein für New Entrant Network: Business models for Innovation, entrepreneurship and resilience in European agriculture.

Newbie ist ein transdisziplinäres Netzwerk, dessen Hauptziel es ist, Neueinsteigern zu ermöglichen, erfolgreich nachhaltige landwirtschaftliche Unternehmungen in Europa zu gründen. Kernprobleme, die es zu überwinden gelte, seien Zugang zu Land, Kapital, Arbeit und Märkte sowie angemessene Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Zu diesem Zweck fördert das Netzwerk die Entfaltung und Verbreitung von Wissen über innovative Geschäftsmodelle und Existenzgründungen in der EU.

Das von der EU im Forschungsprogramm „Horizon 2020“ geförderte Projekt „Newbie“ bietet ein Forum, in dem sich Neueinsteiger, Hofnachfolger, Berater, Wissenschaftler und Akteure aus Politik und Wirtschaft in nationalen und internationalen Netzwerken austauschen.  Um das zu aktivieren, gibt es regelmäßige Diskussionsrunden, bei denen eigene Erfahrungen, der Gedankentransfer und die Entwicklung von Werkzeugen, die bei Gründung und Etablierung eines Unternehmens helfen, im Fokus stehen. Das Projekt soll bis Dezember 2021 laufen. Dr. Andries Visser von Wageningen University & Research aus den Niederlanden leitet das Projekt mit insgesamt zehn Partnern aus neun Ländern: Irland, Großbritannien, Niederlande, Belgien, Frankreich, Portugal, Slowenien, Bulgarien und Deutschland. Die beiden deutschen Partner sind der Fachbereich Agrarwirtschaft der Fachhochschule Südwestfalen (Soest) und der Bund der deutschen Landjugend (Berlin). Die Agrarwissenschaftler Christian Helms von der Fachhochschule Südwestfalen und Tassilo Schweizer vom Bund der deutschen Landjugend sind die jeweiligen Ansprechpartner.

Beispiele aus Großbritannien und Frankreich

Das 2004 in Großbritannien gegründete „Fresh Start Land Enterprise Centre“ etablierte 2011 sogenannte „Land Partnerships“, um Neueinsteiger beim Zugang zu Land zu unterstützen (Fresh Start Land Enterprise Centre, 2015). Das vorrangige Ziel ist die Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen für Innovationen von (neuen) Landwirtschaftsbetrieben, erklären Helms und Schweizer. „Land Partnerships“ verknüpfen Landbesitzer und Junglandwirte in Form von Business-to-Business-Beziehungen. Das Finden von zusammenpassenden Landbesitzern und Neu-Landwirten stellt den ersten wichtigen Schritt dar, um anschließend mithilfe der „Land Partnerships“ die Unternehmensstrukturen und die vertraglichen Beziehungen untereinander auszuhandeln. Des Weiteren sei die Langfristigkeit der Business-to-Business-Beziehungen ein besonderes Anliegen der „Land Partnerships“. Ein detailliertes Handbuch wurde hierzu von Fresh Start Land Enterprise Centre (2015) veröffentlicht, um sowohl Landbesitzern als auch Neueinsteigern Unterstützung zu bieten. Die Bandbreite der „Land Partnerships“ reicht von Formen der Vertragslandwirtschaft (contract farming) und Bewirtschaftungsgenehmigungen (licences) über Betriebskooperationen (joint ventures, share farming, partnerships) bis hin zu langfristigen Verpachtungsverhältnissen. Die erstgenannten Formen erlauben einen stärkeren Einfluss der Landbesitzer, während die letztgenannten Formen der Verpachtung einen stärkeren Einfluss und größere Eigenständigkeit der Neu-Landwirte erlauben.

Das französische Netzwerk „Reneta“ (Réseau National des Espaces-Test Agricoles) unterstützt als Gründerzentrum Neueinsteigern in die Landwirtschaft. Mithilfe von „Reneta“ können Neueinsteiger in einem geschützten Umfeld ihre landwirtschaftlichen Geschäftsideen planen, umsetzen und evaluieren.

Nach der Evaluierung der betrieblichen Testphase entscheiden sie, ob das Betriebskonzept weitergeführt, angepasst oder beendet wird. In der Testphase stellt „Reneta“ Land, Gebäude und Maschinen zur Verfügung und bietet Neueinsteigern Unterstützung und Beratung in rechtlichen und fachlichen Fragen zur mittel- und langfristigen Geschäftsentwicklung an. Die Betriebskonzepte, die von „Reneta“ hauptsächlich unterstützt werden, sind Betriebe mit Weiterverarbeitung und kurzen Wertschöpfungsketten, ökologischer Landwirtschaft und Konzepten der solidarischen Landwirtschaft. „Reneta“ unterstützt nach eigenen Angaben etwa 60 Betriebe und circa 200 Personen in der Gründungs- und Testphase.

Von den bisher begleiteten Neueinsteigern starteten etwa zwei Drittel nach der Testphase einen landwirtschaftlichen Betrieb und etwa 10 Prozent stiegen als Mitarbeiter in bestehende Landwirtschaftsbetriebe ein, während nur etwa 15 Prozent ihre Aktivitäten in der Landwirtschaft nach der Testphase beendeten.

Das Netzwerk ermöglicht den Austausch von Erfahrungen zwischen Neueinsteigern, aber auch mit wichtigen Stakeholdern in der Region, wie Vertretern aus Verwaltung, Politik und von Planungsbehörden. Verbände und öffentliche Einrichtungen bilden das Fundament von „Reneta“ – sie agieren als Mitglieder und stellen Ressourcen und Rahmenbedingungen für Neueinsteiger in die Landwirtschaft zur Verfügung, insbesondere Landwirtschaftsflächen.