Emotionale Fallstricke machen Übergabe schwierig
Viele Landwirte sind auch Unternehmer. Welche Besonderheiten sehen Sie bei deren Betriebsübergabe?
Für mich sind alle Landwirte Unternehmer. Ich sehe hier eigentlich keine großen Besonderheiten oder Unterschiede zu anderen Branchen, die die Betriebsübergabe in der Landwirtschaft vom Ablauf her groß unterscheiden sollten als in anderen Branchen. Ob eine Generation nun einen landwirtschaftlichen Betrieb, ein Hotel oder ein Geschäft übergibt, ist doch sekundär. Jedes Unternehmen ist geprägt durch den unternehmerischen Geist des Handelnden, und die Übergabe wird dann geprägt von Übergeber und Übernehmer. Die rechtlichen und steuerlichen Aspekte sollten sehr ähnlich sein.
Warum sind Betriebsübergaben innerhalb der Familie oft so schwer?
Wir Mittelständler – ob nun Landwirt, Hotelier oder Einzelhändler – sind immer sehr eng mit unserem Betrieb verwoben. Meist führen wir unsere Betriebe in einer Nachfolge-Generation oder sind die Gründer. Irgendwann stehen wir dann unweigerlich vor der Herausforderung, den Betrieb in jüngere Hände übergeben zu dürfen. Am besten natürlich wirtschaftlich gesund und geordnet, und wir möchten das Beste für die Nachfolger – oftmals unsere Kinder. Für uns sind es aber nicht nur Zahlen, Daten und Fakten, die unsere Betriebe ausmachen. Es sind die vielen teils emotionalen Geschichten um unseren Betrieb, die wir gerne erzählen, die ihn ausmachen. Denn wir sind mit „Leib und Seele“ dabei. Es sind die vielen Höhen und Tiefen, die man im Laufe der Zeit durchlebt hat, die eine besondere Beziehung herstellen. Trotz aller emotionalen Bindung geht es bei einer anstehenden Betriebsübergabe aber natürlich um die betriebswirtschaftlichen Aspekte, denn diese stellen die kalkulatorische Basis dar. Für mich sind es dann aber die emotionalen Fallstricke, die eine Übergabe schwieriger werden lassen können.
Was sind die größten Fehler bei Betriebsübergaben?
Zu spät mit der Übergabe zu beginnen: Für mich ist die Vorbereitungsphase sehr wichtig, denn in ihr wird viel entschieden, gerade von den Übergebern ausgehend, und ich sehe diese hier auch ein wenig in der Pflicht! Das beginnt schon mit dem Zeitpunkt der Planung und der Integration aller Beteiligten. Der erste Gedanke an eine Übergabe ist wahrscheinlich der Punkt, an dem der Eigentümer spätestens mit der Planung beginnen sollte. Übergeber und Übernehmer können hier besonders an den strategischen Schrauben drehen.
Den psychologischen Aspekt zu unterschätzen: Wechselwirkungen, Befindlichkeiten und Kommunikation spielen tragende Rollen im Übergabeprozess gerade im zwischenmenschlichen Bereich. Dies gilt für den inneren Zirkel, weitere Familienmitglieder, alle umliegenden Interessengruppen und insbesondere die eigene Belegschaft. Ich habe in den eigenen Übergabeprozessen sehr viel gelernt, auch über mich selbst! Das beginnt schon damit, dass der vormalige Junior nach Jahren der Wanderschaft auf Kollegen trifft, die ihn mitunter großgezogen haben und denen er nun vorstehen soll.
Das Team: Hier möchte ich auf zweierlei Teams eingehen. Es gilt zum einen für die eigene Mannschaft, die einen neuen Coach bekommt. Das Team muss die Spielphilosophie kennenlernen und der Coach die Stärken und Schwächen für die optimale Aufstellung. Teamführung ist einer der wichtigsten Indikatoren, der über zukünftigen Erfolg und Misserfolg entscheiden wird.
Aber auch der Coach braucht Unterstützung. Wir Unternehmer ertappen uns doch immer wieder bei dem Gedanken: „Ach – das machen (oder können) wir selbst.“ Richtig. Können wir vielleicht sogar. Aber können es andere vielleicht besser? Das Gleiche gilt für Bereiche, die eine Übergabe betreffen. Rechtliche und steuerliche Aspekte sowie ein begleitetes Mentoring sind hier und da sicherlich mehr als eine Überlegung wert, um sich frühzeitig beraten zu lassen.
Ich selbst zähle mich auch eher zum Typus „selber machen“ dazu und spreche aus eigener Erfahrung. Man sollte auch eine Zweitmeinung zulassen (können oder es lernen) und es ist nicht verkehrt, um Rat zu fragen. Es macht eine Führungsperson sogar stärker.
Kennen Sie erfolgreiche landwirtschaftliche Übergaben?
Im Bereich Weinbau kenne ich erfolgreiche Übergaben. Mir fällt hier zum Beispiel die Übergabe des Weinguts Goswin Lambrich in Oberwesel-Dellhofen ein, das mittlerweile vom Vater erst auf die Tochter übergeben wurde und später ist dann noch der Sohn (während des laufenden Übergabeprozesses) mit ins Unternehmen eingestiegen. Der Prozess dauerte relativ lange – aber von außen betrachtet verlief er doch harmonisch. Der Betrieb ist sukzessive gewachsen und mit den Jahren hat man die Handschrift der jungen Generation immer mehr erkannt. Nun arbeitet auch die „kleine“ Schwester mit. Einen Großteil des Prozesses haben wir als Partner begleitet, und ich kann die Entwicklung als positiv bewerten – sowohl was die Weinqualität betrifft als auch die gesamte Herangehensweise im Bereich Marketing.
Ein weiteres Beispiel – auch aus dem Weinbau – ist die Übergabe des ältesten deutschen Weinguts in Familienbesitz – das Weingut Prinz Salm aus Wallhausen. Hier wurde der Betrieb von Prinz Michael zu Salm-Salm auf Prinz Felix übergeben. Besonders ist hier vor allem, dass zwei Brüder zwei völlig unterschiedliche Bereiche übernommen haben, denn neben dem Weingut ist die Familie im Bereich Finanzwirtschaft tätig und so ist Prinz Constantin, Bruder von Prinz Felix, im Unternehmenszweig der Salm-Salm & Partner GmbH eingestiegen. Was mich an dieser Übergabe als Außenstehender so fasziniert, ist zum einen die Übergabe in verschiedenen Branchen sowie die gefühlte Gelassenheit, die alle Beteiligten hierbei ausstrahlen. Die Harmonie ist für mich spürbar und ansteckend.
Marek Gawel: Die erfolgreiche Betriebsübergabe, Ein Praxisratgeber für die Übergabe im Familienbetrieb in Hotellerie und Gastronomie, 978-3-86641-342-9, dfv Mediengruppe Fachbuch, 29,90 €, Bruttopreis ggf. zzgl. Versandkosten