„Die Hofnachfolge gehört zu den zentralen Fragen“
Welche Rolle spielt das Thema Hofnachfolge bei den Bauernfamilien, die Sie kennengelernt haben?
Thomas Schürmann: Die Hofnachfolge gehört zu den zentralen Fragen, weil sie mit den Fragen nach dem Sinn des Tuns verbunden ist. Warum mache ich das und was will ich? Wie gelingt es, meine Arbeit an die nächste Generation weiterzugeben?
Was macht eine Hofnachfolge so besonders?
Schürmann: Traditionell beinhaltet die Hofnachfolge immer einen Generationenvertrag, der mit dem Altenteil verbunden ist. Die Hofnachfolge ist sowohl Teil des Geschäfts als auch Teil der Familiensituation. Man gibt den Betrieb, den man erhalten wissen möchte, in jüngere Hände ab. Familiäre Belastungen, Kommunikationsprobleme oder wirtschaftlicher Druck wirken auf die Familie; das Private und Berufliche können sich wechselseitig belasten.
Was ist Ihrer Meinung nach wichtig für eine gelungene Hofübergabe?
Schürmann: Das zwischenmenschliche Vertrauen: Der Hofübergeber muss darauf vertrauen, dass auch der Nachfolger die Arbeit gut macht. Man sollte kleinere Fehler nachsehen und nach und nach dem Nachfolger größere Freiheiten einräumen. Es gibt in der Regel nicht den Tag X, von dem an der familiäre Hofnachfolger plötzlich alles allein macht, sondern er wächst in die Leitungsaufgabe hinein.
Wichtig ist es auch, dass Hofübergeber und potenzieller Nachfolger gemeinsame Entscheidungen treffen und beide gut miteinander kommunizieren, wenn es um grundsätzliche Fragen geht. Mir wurde ein Fall berichtet, bei dem der Sohn den Milchviehbetrieb seines Vaters übernehmen wollte, weil ihm diese Arbeit Freude bereitete. Auf einmal wandelte der Vater ohne Rücksprache mit dem künftigen Nachfolger den Betrieb um und errichtete einen Schweinestall. Damit platzte die Hofnachfolge. Das hätte man durch vorherige Kommunikation vermeiden können. Ein anderer junger Mann berichtete mir, dass der Hofeigentümer morgens mit dem Traktor rausfährt, ohne dem Sohn zu sagen, was er am Tag vorhat. Es gibt Hofübergeber, die nicht loslassen können und zum Beispiel weiterhin die Kühe füttern, obwohl sie nicht mehr der Eigentümer sind. Das Nichtloslassen ist oft ein Problem im Alltag für die Hofnachfolger. Die Familie sollte außerdem rechtzeitig auch mit den weichenden Erben sprechen, damit diese nicht ein falsches Bild vom Hoferbe haben.
Welche Faktoren haben Einfluss auf die familiäre Hofnachfolge?
Die Berufszufriedenheit, die der aktive Landwirt ausstrahlt, ist entscheidend. Das überwiegt manchmal gegenüber anderen Faktoren. Die Eltern haben eine Vorbildfunktion. Wenn Kinder sehen, wie sich ihre Eltern tagtäglich auf dem Hof abrackern, hat das Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung. Sie fällt bereits sehr früh. Wenn jemand eine universitäre Laufbahn verfolgt, hat er bereits eine Vorstellung, ob er den Hof übernehmen möchte. Großen Einfluss – das haben auch meine Befragungen ergeben – hat auch das Ansehen des Berufes. Hierunter leiden vielleicht vor allem Tierhalter. Zum Teil berichteten junge Menschen, dass sie vielen Vorurteilen ausgesetzt sind, weil ihre Eltern Landwirtschaft betreiben. Nicht selten wurde von Feindseligkeiten ihnen gegenüber gesprochen. Das alles sind auch Faktoren, die die Nachfolge schwieriger machen.
Die niedrigen und oft ausbleibenden Erlöse frustrieren viele Landwirte, ebenso wie die bürokratischen Dokumentationspflichten – sie werden teilweise als große Zumutung wahrgenommen. An erster Stelle ist es jedoch meist das schwindende Ansehen, ein in der Öffentlichkeit gezeichnetes Bild, das Bauern als subventionierte Tierquäler und Umweltvergifter erscheinen lässt, das den Befragten zu schaffen macht.
Wen sollten Landwirte zur Rate ziehen, um Hofnachfolgen zu regeln?
Es ist hilfreich, wenn sich Landwirte an ehrenamtliche Stellen wenden, um mit Externen über die Situation zu sprechen. Letztendlich ist es manchmal schmerzhaft, aber wichtig, dass man eine ehrliche Bestandsanalyse macht.
Einen Bericht über das Buch finden Sie hier.
Thomas Schürmann: Höfe vor der Nachfolge. Landwirtschaft und bäuerliches Selbstverständnis im Oldenburger Münsterland. Verlag des Museumsdorfs Cloppenburg. 319 Seiten, 52 Abbildungen, ISBN 978-3-938061-45-9, 24,80 Euro.