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Balance zwischen Geben und Nehmen

Bei der Übergabe eines landwirtschaftlichen Betriebs muss sich jede Seite wirtschaftlich absichern – gleichzeitig soll der Familienfrieden gewahrt werden. Damit die Hofübergabe gelingt, sollten alle Beteiligten offen miteinander sprechen.

Verträge sind dazu da, sich auch in Zukunft zu vertragen – das trifft in besonderer Weise auf einen Hofübergabevertrag zu, nicht nur weil darin viele Facetten des künftigen Hoflebens geregelt sind, sondern auch weil es um die Existenzgrundlage von zwei oder mehr Familien geht. Denn die Regelungen im Übergabevertrag betreffen nicht nur den bisherigen und neuen Eigentümer, sondern auch deren Ehegatten und die weichenden Erben.

Die im Hofübergabevertrag „vorweggenommene Erbfolge“ ist ein komplexer juristischer Vorgang. Anders als bei einem Kaufvertrag geht es primär darum, den Hof zu erhalten und die bisherigen Eigentümer im Alter abzusichern. Damit bei der Hofübergabe die Wünsche und Erwartungen aller Beteiligten berücksichtigt werden können, ist nicht nur frühzeitige Vorbereitung wichtig, sondern vor allem die offene Kommunikation zwischen den Vertragsparteien und der erweiterten Familie.

Was selbstverständlich klingt, ist es nicht immer. Oft stehen hinter familiären Konflikten lange aufgestaute verletzte Gefühle, fehlende Wertschätzung oder mangelndes Vertrauen in die kommende Generation. „Reden, reden, reden“, lautet deshalb der Ratschlag von Stefan Müller. Bei den vorbereitenden Gesprächen innerhalb der Familie sollte der Kreis der Teilnehmer nach und nach erweitert werden, rät der Experte von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Zunächst müssen sich der Übergeber oder das Übergeberehepaar über seine Erwartungen klar werden, dasselbe gilt für den Übernehmer mit Ehepartner. Erst nachdem beide Seiten sich jeweils besprochen haben, sollten Übergeber und Übernehmer (mit Ehepartnern) sich an einen Tisch setzen.

Zwar ist jede Hofübergabe je nach betrieblicher und familiärer Situation anders, das Ziel ist jedoch immer dasselbe: Die Beteiligten müssen eine Balance finden – zwischen den Leistungen, die der Übergeber erwartet und denen, die vom Übernehmer tragbar sind. Besonders deutlich wird das an den Versorgungsansprüchen des Hofübergebers.

Vertragliche Regelungen „wie unter Dritten“

Die Gegenleistung des Hofübernehmers ist die Altenteilleistung. Sie umfasst neben einer Barleistung in der Regel auch ein Wohnrecht auf dem Hof sowie eine Vielzahl von Versorgungsleistungen für den Übergeber und dessen Ehegatten. Die Barleistung kann als Geldrente mit einer Wertsicherungsklausel, zum Beispiel für den Inflationsausgleich versehen werden. Sie ist von der Größe und wirtschaftlichen Stärke des Betriebs abhängig und sollte vom Hof tragbar sein. Bei der Ermittlung eines angemessenen Betrags kann die Beratung durch die Landwirtschaftskammern, die über Erfahrungswerte aus Testbetrieben verfügen, sinnvoll sein.

Großes Augenmerk sollten die Vertragsbeteiligten auf die Themen Wohnrecht und Pflege der Altenteiler haben. Denn hier besteht großes Konfliktpotenzial. Zwar gilt der Grundsatz des privilegierten Erbrechts weiterhin: Derjenige, der den Hof bekommt, kümmert sich im Alter um die Eltern. Doch wird das heute häufig anders gelebt, auch wenn das Wohnrecht in abgetrennten Räumlichkeiten, die für den Eigentümer nicht zugänglich sind, weiter die Regel ist.

Beim Wohnrecht sind klare Regelungen im Hofübergabevertrag sinnvoll, zum Beispiel die genaue Benennung des Gebäudes und der Zimmer und etwaige Mitbenutzungsrechte. „Je offener man dies im Vertrag gestaltet, desto eher stoßen die Beteiligten bei Konflikten an ihre Grenzen“, sagt Stefan Müller. So könne man bestimmte Bereiche, wie Freizeiträume oder Keller, vertraglich von der Nutzung ausschließen.

Solche Regelungen sollten „wie unter Dritten“ getroffen werden, betont der Experte. „Wenn es dann im Familienalltag anders gelebt wird, umso besser.“ Dasselbe gelte für vertraglich fixierte Ansprüche auf Fahrten zum Arzt oder zum Einkaufen und das Recht auf Kost und Logis „am Familientisch“, wie es in früheren Verträgen üblich war. Auch hier sei Vorsicht geboten. Grundsätzlich sollten Übergeber und Übernehmer vor Schließen des Hofübergabevertrags darüber sprechen, was sie erwarten beziehungsweise zu leisten bereit sind. Denn meist werden später unausgesprochene Erwartungen zu Konfliktherden.

Ausufernde Pflegeverpflichtungen gefährden Hofexistenz

Vertraglich geregelt werden sollte unbedingt die Pflege der Hofübergeber bei Krankheit und Gebrechlichkeit. Wenn im Hofübergabevertrag fast uneingeschränkte „Hege und Pflege“ vorgesehen ist, kann das im Extremfall die Existenzfähigkeit des Hofes gefährden. Weder öffentliche Einrichtungen noch weichende Erben müssten sich dann an der Pflege beteiligen. In vielen neuen Verträgen wird deshalb die Pflegeverpflichtung auf Pflegegrad 1 beschränkt. Für den Fall einer dauerhaften Pflegebedürftigkeit kann die Übernahme der Kosten für ein Heim so im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten begrenzt werden, sodass Sozialleistungen zugunsten des Übergebers nicht völlig ausgeschlossen werden.

Die Altenteilleistungen sollten sie im Grundbuch als sogenanntes Leibgeding abgesichert werden. Traditionell wird dabei der gesamte Grundbesitz belastet – was zwar mehr Sicherheit, aber für den Hofübernehmer Risiken, zum Beispiel eine erschwerte Beleihung, birgt. Immer wieder gibt es Fälle familiärer Konflikte, bei denen der Übergeber die Zustimmung zur Lastenfreistellung verweigert. „Im Normalfall reicht zur Absicherung eine Eintragung auf Hofteile, hier sollte man sich auf das Notwendige beschränken“, so Stefan Müller von der LWK Niedersachsen.

Rückübertragungsklauseln im Hofübergabevertrag können sinnvoll sein, sollten aber befristet sein. Hier sollten zwingende Gründe (Übernehmer verstirbt kinderlos, Übernehmer verkauft Hof oder Teile oder zweckentfremdet diese) aufgenommen werden. Eine derartige Klausel kann aber erhebliche Auswirkungen auf die finanzielle Situation eines verwitweten Ehepartners haben. Unbedingt sollte deshalb darauf geachtet werden, dass im Todesfall auch dieser abgesichert ist und ihm zum Beispiel ein (übergangsweises) Wohnrecht weiter gewährt wird.

Niemand darf sich übergangen fühlen

Wenn sich Übernehmer und Übergeber über die Altenteilregelungen verständigt haben, sollten im dritten Schritt die Geschwister, im vierten Schritt auch deren (Ehe-)Partner zu den Gesprächen hinzugebeten werden. Für den Fall, dass mehrere Erben vorhanden sind, müssen im Hofübergabevertrag auch die Rechte der weichenden Erben geregelt werden, die bei Höfen im Sinne der Höfeordnung einen gesetzlichen Abfindungsanspruch haben. Die Höfeordnung sieht in der Regel anteilig das 1,5-Fache des zuletzt festgestellten Einheitswertes vor. Auch bei Unternehmen, bei denen die Höfeordnung nicht gilt, entschließen sich Eigentümer meist bereits bei der Übergabe, den weichenden Erben einen Ausgleich zu zahlen.

Rechtlich muss ein Hofübergabevertrag nur zwischen dem Übergeber und dessen Ehegatten und dem Übernehmer geschlossen werden. Es empfiehlt sich aber, auch die weichenden Erben, meist die Geschwister des Übernehmers am Vertrag zu beteiligen, damit sich niemand übergangen fühlt  und um eventuelle Streitpunkte schon im Vorfeld auszuräumen. Im Hofübergabevertrag sollte unbedingt fixiert werden, welchen Betrag die weichenden Erben als Abfindung erhalten sollen – und eine Pflichtanteilsverzichterklärung für den späteren Erbfall eingebaut werden.

Auch hier lauert Konfliktpotenzial innerhalb einer Familie. Es ist verständlich, dass Eltern keines ihrer Kinder finanziell bevorzugen wollen. Andererseits müssen sie bedenken, dass ein auch künftig erfolgreich zu bewirtschaftendes Landwirtschaftsunternehmen nicht als Vermögen betrachtet werden darf. Für die Abfindung der weichenden Erben ist daher nicht der Verkehrswert des Hofes, sondern der Ertragswert zugrunde zu legen.

Mit offenen Karten spielen

Klar definiert werden muss dabei, was Hofvermögen und was hoffreies Vermögen ist. Hier sollte man in der Familie mit offenen Karten spielen und den Wert aller Immobilien oder beispielsweise Windkraftanlagen gegebenenfalls im Vorfeld genau ermitteln. Denn auch die weichenden Erben sehen sich bisweilen Konflikten ausgesetzt: Sie selbst haben ein Interesse daran, dass der Familienbetrieb weitergeführt wird, müssen aber auch vor dem eigenen Ehepartner vertreten, warum sie unter Umständen auf Geld, das ihnen zusteht, verzichten.

Deshalb sollten Nachabfindungsansprüche der Miterben unbedingt im Übergabevertrag enthalten sein. Sie sollen verhindern, dass der Übernehmer doppelt profitiert. Vertraglich festgelegt werden Nachzahlungspflichten des Hoferben zum Beispiel für den Fall, dass der Übernehmer Teile des Grundbesitzes verkauft, ohne den Erlös wieder in den Hof zu investieren. In solchen Fällen müssen weichende Erben an den Verkaufserlösen beteiligt werden.

Sind diese Punkte in den Gesprächen zwischen Übergeber, Übernehmer und weichenden Erben geklärt, sollten eventuell noch lebende Großeltern, die mit auf dem Hof wohnen und sich vielleicht Gedanken um die eigene Versorgung machen, über die Pläne ebenso informiert werden wie Geschwister des Übergebers.

Auch nach Abschluss des Hofübergabevertrages sollten Familien im Gespräch darüber bleiben. Da sich betriebliche und familiäre Situationen ändern, kann es sinnvoll sein, die Verträge auch Jahre danach ab und zu herauszuholen und zu prüfen. Schließlich kann der beste Vertrag nicht alle Eventualitäten des Lebens berücksichtigen. Vorausgesetzt, alle Vertragsbeteiligten sind noch am Leben, können in gemeinsamem Einvernehmen Anpassungen vorgenommen, zum Beispiel die Pflegeklausel eingeschränkt oder eine Rückübergabeklausel nachträglich gestrichen oder befristet werden, bevor es zu Konflikten kommt.