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„Zu geringes Eigenkapital ist das größte Problem“

Interview mit Dieter Künstling, geschäftsführender Gesellschafter der IAK Agrar Consulting GmbH in Leipzig, die den Generationswechsel bei juristischen Personen in Ostdeutschland begleitet.

Worin unterscheiden sich Hofübergaben in Ostdeutschland von denen in Westdeutschland?

Die Ausgangslage ist zunächst eine andere: Im Westen handelt es sich größtenteils um landwirtschaftliche Einzelunternehmen im Haupterwerb; GbR und Kapitalgesellschaften sind eher die Ausnahmen. In Osten bewirtschaften die Kapitalgesellschaften circa 65 Prozent der vorhandenen Flächen. In vielen Bundesländern gilt die Höfeordnung, die die Betriebsübergabe in den Familien regelt. In den neuen Ländern sind keine gesetzlichen Regelungen für die Hofnachfolge erlassen worden; es gab zu DDR-Zeiten keine Regelung und im Einigungsvertrag ist dazu auch nichts nachgebessert worden.

In den neuen Bundesländern gibt es nach der Statistik 3.500 Kapitalgesellschaften und eingetragene Genossenschaften; im früheren Bundesgebiet nur circa 1.600 Unternehmen, die Rechtsform einer juristischen Person haben. Was die Kapitalgesellschaften angeht, haben wir in Deutschland dafür verschiedene Gesetze, die Anwendung finden, wie das GmbH-Gesetz, das Aktiengesetz oder eben das über 100 Jahre alte Genossenschaftsgesetz. Damit gelten grundsätzlich andere Gesetzesregelungen als bei der Höfeordnung und dem Erbrecht.

Die Übergabe des Betriebs an Fremde, also Nachfolger außerhalb der Familie, ist in Ostdeutschland allgemeine Geschäftspraxis geworden. Der Übernehmer kann der Nachbarbetrieb sein, jemand aus der Region oder irgendwo aus Deutschland. In Ostdeutschland sind auch viele holländische Milchviehbauern unterwegs. Die Übergabe ist ein Stück Altersversorge.

Wo sehen Sie die größten Probleme bei einer Betriebsübergabe in Ostdeutschland? Wo die Chancen?

Ohne Wenn und Aber: Die zu geringe Eigenkapitalquote bei Familiennachfolgern oder jüngerem Managementpersonal im Angestelltenverhältnis ist das größte Problem.

Junge dynamische Leute als Betriebsleiter zu finden ist möglich, aber man muss auch die Eigentumsnachfolge regeln. So können zum Beispiel auch jüngere Mitglieder einer Genossenschaft Eigentümer werden. Diese sogenannten internen Lösungen scheitern aber oft an der Tatsache, dass die Genossenschaften einen außerordentlich anspruchsvollen Vermögensstatus aufgebaut haben und jüngere potenzielle Kandidaten für die Nachfolge als Betriebsleiter, aber eben auch Eigentümer eine zu geringe Eigenkapitalquote haben. Das ist der Hauptgrund für die häufig nicht funktionierende interne Lösung. Ein Betrieb muss letztendlich effizient sein. Die Kapitaldienstbelastung zur Fremdfinanzierung zur Übernahme von Geschäftsanteilen ist begrenzt.

Die Politik sollte hier reagieren, wenn sie Interesse daran hat, dass Betriebe innerhalb der Region, der Gesellschaft oder gar der Familie übergeben werden. Es macht ja auch Sinn, die Eigentümer in der Region zu erhalten; dann fließen auch zukünftig Steuern in die Region. Dazu müsste es meines Erachtens neue Förderprogramme und Bürgschaftsprogramme geben, um das Problem der fehlenden Eigenkapitalmöglichkeiten zu lösen.

Eine Eigenkapitalquote von 30 bis 40 Prozent ist wohl nötig. Oftmals liegen die Wertansätze zur Abfindung ausscheidender Gesellschafter zum Teil schon im zweistelligen Millionenbereich.

Größere Betriebe haben natürlich auch gut Entwicklungspotentiale und besondere Vorteile. Sie können ausgewogen Sozial- und Arbeitspakete anbieten, können sich vor Risiken schützen und moderne kapitalintensive Technologien effizient anwenden.

Wie definieren Sie größere Betriebe?

Die durchschnittliche Flächenausstattung der landwirtschaftlichen Betriebe erreichte 2012 rund 58 Hektar Landwirtschaftsfläche, jedoch gibt es dazu in Deutschland ein starkes Nord-Süd-Gefälle. Bei juristischen Personen in Ostdeutschland liegt der Durchschnitt der Betriebsgröße bei circa 1.500 Hektar Betriebsfläche. Ich bin kein Freund von Diskussionen über Vor- und Nachteile von Klein- oder Großbetrieben oder einer bestimmten Rechtsform. Jede Betriebsgröße hat ihre Chance. Ein Betrieb muss historisch wachsen und effizient sein.

Und wo sehen Sie die größten Chancen?

Viele Gesellschafter in den ostdeutschen Betrieben sehen die gelungene beziehungsweise anzustrebende Übergabe des Eigentums an Außenstehende als einen Teil ihrer Altersversorgung. Die Vorbereitung auf den Übergabeprozess dauert aus unserer Erfahrung heraus in etwa zwei Jahre. In dieser Phase sollte man nicht nur mit dem Management reden, sondern die Gesellschafter des Unternehmens, die Eigentümer alle mitnehmen. Das ist eine besondere Herausforderung, denn die sind meistens inzwischen aus dem Prozess des Wirtschaftens ausgeschieden, im Ruhestand oder haben vorher meist eher den Arbeitnehmer- statt den Eigentümerstatus gehabt. Diese Gesellschafter gilt es nun einzubinden; auch sie müssen über die Chancen und Risiken aufgeklärt werden.

Aktuell ist die Nachfrage nach gut geführten landwirtschaftlichen Betrieben größer als das Angebot, sodass der Wunsch der abgebenden Gesellschafter auf eine faire Entlohnung realistisch ist. Letztendlich ist der Preis nicht alles. Vielerorts wird auch hingeschaut, ob der mögliche Übernehmer das entsprechende Know-how hat, den entsprechenden Stallgeruch und eben zur Gruppe der Verkäufer passt.

Wenn man über Chancen spricht, sollte man nicht vergessen, dass es für die Eigentümer von Kapitalgesellschaften derzeit noch außerordentlich gute steuerliche Privilegien gibt, wenn sie ihre Anteile in andere Hände geben.

 

Sie sagen, der "wahre Wert" des Betriebes ist den Eigentümern oft nicht gegenwärtig und kann nicht immer durch ein Gutachten authentisch ermittelt werden. Wie denn?

Alle Unternehmen haben sogenannte stille Reserven – die sind vielen Eigentümern häufig nicht bewusst -, die sich zum Beispiel in den heutigen Werten für Ackerflächen zeigen, bei denen ja die Anschaffungskosten vor vielen Jahren deutlich geringer waren. Wir haben stille Reserven in Form der Tatsache, dass der Übernehmer gern bereit ist, für langfristige wirtschaftlich sinnvolle Pachtverträge einen Obolus zu bezahlen, aber auch die entsprechenden Prämienrechte werden honoriert.

Vielen abgebenden Gesellschaftern ist derzeit nicht bekannt, dass es solche Möglichkeiten gibt. Dennoch hat sich nach unserer Erkenntnis am Markt derzeit eine Veräußerung der Betriebe nach einem Verkehrswert weitgehend durchgesetzt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass viele Unternehmer – vom Management bis zum Traktoristen – mehr als 20 Jahre unter anderem mit Lohnverzicht ihr Unternehmen aufgebaut haben und sie den moralischen Anspruch haben, einen fairen Preis am Markt für den Verkauf zu erzielen. Häufig ist deshalb auch aktuell eine oft recht unzureichende Bewertung ohne Berücksichtigung der stillen Reserven anzutreffen.

Sofern wir die Veräußerer in der Beratung vertreten, ist es der Job der Berater, die abgebenden Gesellschafter bei der Erreichung eines fairen Kaufpreises beratend zu unterstützen. Um alle Gesellschafter mitzunehmen, müssen diese Probleme nicht nur mit dem Management, sondern auch mit den wirklichen Eigentümern besprochen werden.

Wo sehen Sie den größten Beratungsbedarf bei juristischen Personen in der Landwirtschaft beim Thema Betriebsübergabe?

Es sind unter anderem Kapitalrücklagen entstanden, deren wirtschaftlicher Vorteil den Gesellschaftern gehört. Da gibt es viel Beratungsbedarf. Vielerorts werden diese wirtschaftlichen Vorteile nicht berücksichtigt.

Dann gibt es natürlich auch Restriktionen bei der Übergabe von Betrieben. Dies betrifft den Erwerb von BVVG-Flächen, erhaltene investive und sonstige Fördermittel, aber auch die Richtigkeit von Pachtverträgen. Also ein vielfältiger Strauß von Problemen, die einer Regelung bedürfen.

Schaut das nicht ein Anwalt durch?

Wir sind Vertragspartner, bieten ein Netzwerk an, das die Betriebsübergabe begleitet, und verweisen zum Beispiel an Anwälte, mit denen wir zusammenarbeiten, oder arbeiten auch mit dem Anwalt des Vertrauens der Eigentümer zusammen.

Wenn etwas schiefgeht, sind Sie also schuld?

Ja, wenn wir Vertragspartner sind, ist es wohl so. Jedoch machen wir keine juristische Beratung und sichern damit uns und unseren Kooperationspartner gemeinsam ab.

Wie sind Sie zu diesem ungewöhnlichen Arbeitsfeld gekommen?

Wir waren mit unserem Unternehmen in der Phase der Privatisierung der Landwirtschaft in der ehemaligen DDR sehr aktiv. Wir haben seitdem etwa 200 feste Mandanten in der Agrarwirtschaft, davon 70 Prozent seit den 90er Jahren. Die genannten Mandanten bewirtschaften eine Fläche von circa 280.000 Hektar. Viele derjenigen, die damals Verantwortung trugen, müssen sich nun mit dem Thema Generationswechsel und Betriebsübergabe befassen. Wir sind mit unseren Mandanten in das Thema hineingewachsen. Seit rund zehn Jahren begleiten wir Übergaben aufgrund einer langjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeit. Ein Netzwerk der Zusammenarbeit mit Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern, Juristen,aber auch genossenschaftlichen Prüfverbänden garantiert unseren Mandanten eine allumfassende Analyse und Lösung des Problems Generationswechsel im landwirtschaftlichen Betrieb.

Das Interview wurde erstmals im September 2018 veröffentlicht.