Created with Sketch.

„Nach der Hofübergabe ist vor der Hofübergabe“

Nachfolger und weichende Erben sollten frühzeitig und detailliert die Finanzen der Hofabgeber kennen, sagt Anneken Kruse, Beraterin der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, im Interview.

Warum kann eine Hofübergabe mit einem Familienkonflikt einhergehen?

Das hat etwas mit einem Generationenkonflikt zu tun. Die jüngere Generation hat es schwer, die Fußstapfen der älteren auszufüllen. Und es fällt ihr schwer, zu erkennen, dass die älteren Hofeigentümer ein hohes Sicherheitsbewusstsein haben. Die Jüngeren können nicht so leicht verstehen, dass die älteren oft nicht einfach loslassen können. Umgekehrt fehlt das Verständnis eben auch. Und selbst denjenigen, die seit Jahren sagen, dass sie spätestens mit 55 Jahren ihren Hof abgeben wollen, kann im entscheidenden Moment das Loslassen schwer fallen.

Was kann man in solch einer Situation tun?

Das Aussprechen der Gefühle, Gedanken und Sorgen allein hilft bereits. Es weckt Verständnis und manchmal kann dadurch eine Lösung gefunden werden.

Was kann eine Lösung sein?

Wenn das Loslassen doch sehr schwer fällt, dann empfehle ich, sich mehr Zeit dafür zu lassen. Meistens geht das einher mit den Abläufen, die auch länger dauern. Man muss zum Beispiel Termine beim Steuerberater oder Notar bekommen. Das kostet Zeit, und daher kann man sich letztendlich auch noch ein Jahr mehr Zeit lassen, um den Prozess der Übergabe abzuschließen.

Wie lange dauert eine Hofübergabe?

Ich empfehle, sich drei bis fünf Jahre Zeit zu nehmen. Wie lange die Übergabe tatsächlich dauert, weiß ich als Beraterin nicht, weil ich das nicht überprüfe.

Wann sollte man sich als Hofeigentümer Gedanken um die Übergabe machen?

Eigentlich bereits dann, wenn die eigenen Kinder eine Ausbildung beginnen. Dann weiß man, welche beruflichen Ambitionen diese haben. Wer weiß, dass er keine Kinder haben wird, sollte sich ebenfalls frühzeitig Gedanken um die Nachfolge machen. Es gilt der Satz: Nach der Hofübergabe ist vor der Hofübergabe. Wer also mit 30 Jahren einen Hof übernimmt, kann sich bereits Gedanken um die eigene Übergabe machen.

Das ist doch bei anderen Familienunternehmen ähnlich?

Ja. Der Unterschied ist aber, dass bei den Landwirten der Beruf und das Unternehmen sehr stark mit dem Zuhause verknüpft sind. Es gibt eine extreme Verknüpfung zwischen Familie und Betrieb. Um ein plastisches Beispiel zu nennen: Die Mitarbeiter und Auszubildenden essen mit am Küchentisch. Das macht die Trennung zwischen Privat- und Arbeitsleben schwer. Außerdem leben in der Landwirtschaft oft noch mehr Familienmitglieder unter einem Dach als in anderen Familien.

 

Kann diese enge Beziehung im Rahmen einer Übergabe zu Konflikten führen?

Ja. Wenn man auf einmal nicht mehr der Hausherr und Chef ist, kann eine räumliche Nähe schwierig werden. Ich empfehle daher, im Hofübergabevertrag festzuhalten, welche Räume später von allen betreten werden dürfen und wo räumliche Grenzen zu ziehen sind. Es sollte zumindest schriftlich feststehen, wie man in dem Haus unter einem Dach wie Fremde zusammenleben kann. In der Praxis kann das dann gegebenenfalls anders gestaltet sein, aber falls man später zum Beispiel einen Pflegefall hat, kann man sich auf den Vertrag und diese Grenzziehung berufen. Man kann also vorher in allen Räumen zusammenleben, für den Fall aber, dass dies nicht mehr möglich oder erwünscht ist, sollte man eine Verabredung getroffen haben. Man kann zum Beispiel eine Mindestanzahl an Quadratmetern oder Zimmern festschreiben.  Dann kommt es Jahre nach der Hofübergabe nicht mehr zum Konflikt um dieses Thema. Ich spreche diesen Punkt in der Beratung an, damit die Familien zum Beispiel nicht nur den Steuerberater und Notar, sondern auch einen Architekten frühzeitig einbeziehen. Das Thema Veränderung des Hauses ist nämlich ein Punkt, den viele nicht rechtzeitig beachten.

 

Wird zwischen den Generationen über Geld gesprochen?

Ich habe es schon erlebt, dass die Kinder gar nicht wussten, wie es finanziell um den Betrieb steht, und sie auch keinen Einblick in die Zahlen haben wollten. Ich empfehle, sich schon vorzeitig detailliert die Finanzlage der Hofabgeber anzuschauen. Und auch die weichenden Erben sollten genau wissen, wie es um die finanzielle Situation des Betriebs steht. Oft denken weichende Erben irrtümlich, ihnen entgeht viel Geld. Wenn sie aber die Zahlen kennen, kommt die Riesen-Ernüchterung, und die Abfindungsverhandlungen verlaufen ganz anders, als sie ohne diese Kenntnis verlaufen wären.

Sie sagen, bei der Hofübergabe geht es auch um Emotionen. Können Sie das beschreiben?

Es geht dabei meist um Wertschätzung oder um die Anerkennung der Arbeit des Hofeigentümers. Das ist nicht finanziell messbar. Häufig kommt bei Frauen, die in den Betrieb eingeheiratet hatten, im Beratungsgespräch hervor, dass sie nie auf dem Hof angekommen waren. Auf die Frage, wann der Hof zu ihrem Zuhause wurde, kommen Tränen als Antwort. Wenn das die Kinder miterleben und dadurch verstehen, wie es der Mutter – der Hofabgeberin – geht, dann sind sie in ihren Forderungen meist nicht mehr so deutlich.

Was ist für ein sozioökonomisches Beratungsgespräch zur Hofübergabe wichtig?

Es sollten möglichst viele Familienmitglieder dabei sein, auch die weichenden Erben. Wer nicht kommen kann, kann sich auch über Telefon- oder Videokonferenz hinzuschalten. Dies machen Jüngere manchmal. Man benötigt Mut und Offenheit sich selbst und anderen gegenüber. Man muss hinhören, was die anderen sagen.

 

Wie alt war Ihr ältester Klient, wie jung Ihr jüngster?

Der Älteste war Mitte 80 und saß gar nicht mit am Verhandlungstisch. Er war Eigentümer und wollte Land an den Nachbarn verpachten. Der Jüngste war Anfang 20 oder sogar noch jünger und ein potenzieller Hofnachfolger. Es kommt nicht so sehr auf das Alter an, sondern darauf, wie reif die jungen Leute sind, um einen Hof zu führen. Ich hatte schon Fälle, da waren die 20-Jährigen noch nicht reif, um das Gespräch zu diesem Thema zu führen. Ich erlebe auch in Meisterkursen, dass die Gesellen sich eher noch wie in der Schule verhalten. Sie wollen ihren Meister machen und später mal einen Hof übernehmen, machen sich aber noch keine Gedanken um die Hofübergabe. Ihnen geht es erst mal um den schulischen Abschluss. In den Hofübergabe-Seminaren, die die Landwirtschaftskammer Niedersachsen auch anbietet, sind die jungen Teilnehmer dagegen sehr interessiert, so meine Erfahrung. Sie kommen ja explizit, um über dieses Thema mehr zu erfahren.